Problemstellung:
Bei nicht verheirateten Eltern, die gemeinsam das Sorgerecht ausüben, entsteht häufig Streit über den Kindesunterhalt. Im vorliegenden Fall ging es um den Unterhalt für Kinder, die im Juli 2012 und Oktober 2015 geboren sind. Die Eltern hatten im April 2022 eine Vereinbarung über die Betreuung getroffen: Die Kinder sollten an den Wochenenden und in den Schulferien hälftig betreut werden. Zudem sollte die Mutter die Kinder sieben Tage im Monat betreuen, abhängig vom Dienstplan des Vaters. Strittig war, ob sich die Kinder dauerhaft in der Obhut des Vaters befinden oder ein echtes Wechselmodell vorliegt.
Das Amtsgericht wies den Antrag auf Kindesunterhalt des Vaters ab, da es ihm an der notwendigen Vertretungsbefugnis fehle. Das Oberlandesgericht (OLG) bestätigte diese Entscheidung.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH):
Der BGH hob die Entscheidung des OLG auf und verwies die Sache zurück. Er stellte fest, dass bei einem Wechselmodell beide Elternteile vertretungsbefugt sind, wenn es um Unterhaltsansprüche gegen den jeweils anderen Elternteil geht. Damit entfällt die Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers oder einer Entscheidung gemäß § 1628 BGB (Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil).
Änderung der Rechtsprechung:
Der BGH hat seine bisherige Rechtsprechung zu dieser Frage geändert. Zuvor war es in Fällen eines Wechselmodells erforderlich, einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Nunmehr gilt: Wenn kein Elternteil die alleinige Obhut hat, sind beide Eltern in einem Wechselmodell vertretungsbefugt. Jeder Elternteil kann als gesetzlicher Vertreter des Kindes den Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil geltend machen, ohne dass es eines Ergänzungspflegers bedarf.
Darüber hinaus hält der BGH es für zulässig, dass das Kind, vertreten durch beide Elternteile, jeweils gegen den anderen Elternteil Unterhaltsansprüche geltend macht. Dies ist rechtlich möglich, da es sich um verschiedene Verfahrensgegenstände handelt. Diese Lösung ist zudem verfahrensökonomisch, da sie es ermöglicht, den gesamten Unterhaltsanspruch in einem Verfahren zu klären.
Interessenkonflikt bleibt möglich:
Sowohl bei alleiniger als auch bei gemeinsamer Vertretungsbefugnis kann es dennoch zu Interessenkonflikten zwischen dem Kind und dem Elternteil kommen, z.B. wenn neben dem Kindesunterhalt auch nachehelicher Unterhalt eingefordert wird. In Ausnahmefällen, wenn ein erheblicher Interessengegensatz vorliegt, kann und sollte die Vertretungsbefugnis entzogen werden (§§ 1629 II S. 3 i.V.m. 1789 II BGB).
Empfehlung:
Die rechtlichen und praktischen Fragen beim Wechselmodell sind komplex. Betroffene Eltern sollten einen Fachanwalt für Familienrecht zu Rate ziehen, um ihre Rechte und Pflichten optimal wahrzunehmen.
Quellen:
Familienrechtsberater 9/24, Seite 360
BGH, Beschluss vom 10.04.2024, XII ZB 459/23 [juris]